Die aktuelle Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Scientific American“ berichtet über eine Studie der Universität von Kyoto in Japan, die den Nutzen von Strategien bei der Bewältigung von Aufgaben hervorhebt. 131 Studierende sollten einen Essay über ihre Schulerlebnisse schreiben und wurden dazu in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine Hälfte erhielt methodische Hinweise zur Strukturierung des Textes; die andere schrieb einfach drauflos. Alle wurden daran gehindert, den Text fertig zu schreiben. Anschließend wurde die Motivation der Studierenden untersucht, die Aufgabe zu beenden. Resultat: Wer über eine methodisch bewusste Vorgehensweise verfügte, fühlte sich deutlich motivierter als diejenigen, die ihren Text „einfach so“ geschrieben hatten – und zwar selbst dann, wenn sie mit der Aufgabe eigentlich weniger weit gekommen waren als Letztere. „Knowing how to finish, in other words, was more important than being close to finishing“, heißt es in dem Beitrag.
Die beteiligten Forscher bezeichneten dieses Phänomen kurzerhand als „Hemingway-Effekt“. Von dem berühmten Schriftsteller ist nämlich überliefert, dass er seine Schreibarbeit immer genau dann beendete, wenn er wusste, wie die Geschichte weitergehen würde. Das Prinzip lautet also: Wir arbeiten motivierter, wenn wir wissen, wie wir arbeiten sollen, welches der erste bzw. nächste Schritt in einem Arbeitsprozess ist. Dann vermeiden wir z.B. Schreib-Blockaden oder die berühmte „Aufschieberitis“ (Prokrastination).
Strategie-Bewusstsein mit Speed Reading
Die Verbindung zum Speed Reading ist offensichtlich: Wenn Sie bewusst Techniken des schnellen Lesens einsetzen, fühlen Sie sich deutlich besser gewappnet und somit motivierter im Umgang mit der Informationsflut. Dazu passt, dass manche Teilnehmer unserer Kurse berichten, dass sie die eine oder andere Herangehensweise durchaus schon kannten oder sogar anwendeten – dann aber häufig mit einem „schlechten Gewissen“. Dabei handelt es sich z.B. um Techniken des bewussten Weglassens, Überfliegens oder der Vorausschau.
Interessanterweise steht der Beitrag unter der Überschrift „Failing successfully“ – „Mit Erfolg scheitern“. Was wir aus diesem Experiment nämlich auch lernen können, ist, dass uns erst das Bewusstsein über das „Wie“, die methodische Herangehensweise, ermöglicht, aus unseren Fehlern zu lernen. Oder umgekehrt: Gerade die Fehler sind der Motor unserer Selbstveränderung; wir sollten sie daher als etwas Positives betrachten. (Wer unser Speed Reading-Training kennt, weiß von der vorübergehenden Irritation – oder auch: von dem befreienden Gefühl – zu berichten, wenn wir die Teilnehmer in einem bestimmten Moment auffordern, beim Lernprozess erst einmal Fehler zuzulassen, um unnötige Blockaden zu vermeiden.)
Das gilt auch für schnelles Lesen und die Anwendung von Speed Reading-Techniken: Wer unstrukturiert liest und nie etwas von Lesetechnik gehört hat, wird an langen und schwierigen Texten schnell verzweifeln…oder das Lesen sogar meiden. Wer hingegen mit Chunking, Skimmen, Scanning, Paragraphing, Previewing oder der PQRST-Technik vertraut ist (einige von vielen Speed Reading-Techniken), beherrscht die Herausforderungen der Informationsflut viel gelassener. Und nimmt viel eher einen zweiten Anlauf.
Beispiel: Gerade bei schwierigen Texten empfehlen wir Speed Reading als mehrstufige Herangehensweise. Zuerst verschaffen wir uns einen Überblick, dann klären wir unsere Fragestellung, dann erfassen wir die Hauptgedanken, und schließlich gelangen wir zu den (für uns wichtigen) Details. Man kann diesen Prozess auch als ein permanentes, produktives Scheitern begreifen: Im ersten Schritt wissen wir noch nicht wirklich, was die Hauptaussagen sind, im zweiten oder dritten haben wir uns noch nicht die Details erschlossen, und alle Details erfahren oder verstehen wir vielleicht nie. Aber jedes Scheitern (jedes vorübergehende Nicht-Verstehen) bringt uns ein Stück weiter. Das ist bestimmt nicht nur fürs schnelle Lesen richtig.
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